Mit einem Empfang, welchen Sönke Wittnebel und Hermann Ulmschneider musikalisch gestaltetet, wurde sein Geburtstag am Sonntag darauf im evangelischen Gemeindehaus gefeiert. Es war kein Abschiedsfest: Bis Sommer 2021 wird er als Pfarrer und Codekan die Geschicke der Gesamtkirchengemeinde Friedrichshafen, der Schlosskirchengemeinde und des Kirchenbezirks Ravensburg weiterleiten.
Gottfried Class kam 2013 als Codekan nach Friedrichshafen, in der Nachfolge des im April 2012 überraschend verstorbenen Ulrich Lange. Claß ließ am Sonntag keinen Zweifel daran, dass er, ebenso wie seine Frau, in Friedrichshafen angekommen sind. „Es ist wunderbar, wie sich in diesen fünfeinhalb Jahren alles gefügt hat“, sagte er sichtlich bewegt. „Wie gern wir hier sind, was an Beziehungen und Vertrauen gewachsen ist. Pfarrer an der Schlosskirche zu sein, empfinde ich jeden Sonntag neu als unglaubliches Geschenk und Vorrecht.“
Gottfried Claß wurde in Korntal geboren, als Sohn des späteren Landesbischofs Helmut Claß. Vor allem aber „kam vor 65 Jahren ein Theologe und Pfarrer zur Welt“, brachte es Michael Maier, Vorsitzender des Kirchengemeinderats der Schlosskirche, in seiner Ansprache auf den Punkt. Claß promovierte über Dietrich Bonhoeffer, war unter anderem Studieninspektor am Pfarrseminar und Pfarrer im Diakonischen Werk Württemberg. Er leitete die Diakonenausbildung an der Karlshöhe Ludwigsburg und war Direktor der Evangelischen Diakonissenanstalt Stuttgart.
Die Rednerinnen und Redner hoben aber vor allem auf den Menschen Gottfried Claß ab. Als „freundlich, kompetent, theologisch aufmerksam und menschlich wach“ beschriebt ihn Prälatin Gabriele Wulz. Oberbürgermeister Brand betonte, Gottfried Claß stehe in der Blüte seines Schaffens in Friedrichshafen – „keinesfalls müde oder ausgelaugt wirkend, sondern voller Tatkraft“. Brand schildere Claß als Menschen, der nach Lösungen und Ausgleich suche sowie als Persönlichkeit, die den Gläubigen Halt und Orientierung gebe. Als persönliches Präsent übergab er Claß eine Jahreskarte für das Strandbad – und für die Schlosskirche einen Scheck, der für die Orgelrenovierung bestimmt ist.
Dem katholischen Dekan Bernd Herbinger gelangen aus dem Stegreif Worte einer tiefen Freundschaft. Katholische und evangelische Kirche am See können miteinander, auch weil der persönliche Faktor stimmt. In der Führung seines Dekanats fühle er sich „Seite an Seite“ mit seinem evangelischen Kollegen, „dem Gottfried“. „Du tust deiner Kirche wahnsinnig gut“, stellte Herbinger fest, wenngleich er das als Katholik nur von außen feststellen könne. Claß habe Freude an der Tiefe des Evangeliums und er erfülle seine Ämter nicht vom „Spielfeldrand“, sondern stehe mitten in ihnen. „Du hast eine unglaubliche Barmherzigkeit und Menschlichkeit“, würdigte Herbinger seinen Kollegen und nahm dessen Familie mit hinein: „Hier ist eine Ehe, die nicht nur nach außen hin bürgerliches Ideal demonstriert, sondern in der es echte Partnerschaft, Verbundenheit und Elternschaft gibt“.
Michael Maier, Vorsitzender des Kirchengemeinderats der Schlosskirche, richtete den Blick auf die Initiativen, die unter Claß’ Leitung auf den Weg gebracht wurden: in der Schlosskirche etwa den Begrüßungsdienst, für die Gesamtkirchengemeinde den Gemeindebrief, neue Strukturen in den Gremien und besondere ökumenische Gottesdienste. Und last but not least das Großprojekt Orgelrenovierung.
Das letzte Wort hatte Dr. Claß selber. Er fühle sich beschenkt und wolle etwas zurückgeben, sagte er. Zum einen, in Form einer Broschüre, auf eigene Kosten gedruckt, die einige seiner Predigten aus den vergangenen fünf Jahren enthält. Mit dem Bonhoeffer-Motto „Wie halten wir stand?“ sind diese Predigten oft auch Reaktionen auf eine von Terror durchzogene Zeit. Ereignisse, unter denen Gottfried Class sich auf der Kanzel nicht wegduckte.
Und zum anderen, mit seiner Bitte, anstatt Geschenke, eine Spende für die Renovierung der Orgel in der Schlosskirche zu machen. Es wurden fast 4.000,00 € gespendet.
Harald Ruppert, Schwäbische Zeitung Friedrichshafen