Schwäbische Zeitung, 26. Juli 2023
Friedrichshafen (gefu)
Zum Glück konnte Kirchenmusikdirektor Michael Bender aus Ravensburg für den am Donnerstag kurzfristig erkrankten Sönke Wittnebel als Dirigent des Kirchenkonzerts einspringen. So konnte das Konzert mit der Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben und dem aus den USA angereisten Organisten Stefan Engels, zur Freude der zahlreichen Zuhörer, in der Schlosskirche trotzdem stattfinden. Co-Dekan Krauß gab zu Konzertbeginn bekannt, dass der Erlös über die Konzertkarten zur Hälfte an „Häfler helfen“ geht.
Zum Einhören in die völlig neue Situation – Orchester und Orgelspieltisch sind vor dem Altar, der Orgelklang kommt aber von der entfernten Empore und weiteren, unsichtbaren Werken hinter dem Altar – war das Orgelkonzert Nr. 1 von Joseph Reinberger genau richtig. In den drei Sätzen waren die große Streichergruppe und die Orgel gleichberechtigte und gleichstarke Partner. Mal gab es klangvolle Wechsel in der Themenführung oder schöne Klangverschmelzungen. Bender gelang es, einen wunderbaren lyrischen Fluss zu formen und mit den zusätzlichen drei Hörnern die romantische Färbung zu verstärken. Wohlklingend und abgerundet, nie aufdringlich registrierte Engels mit den neuen Möglichkeiten, profilierte sich in passenden Tutti-Stellen oder zeigte in der Solo-Cadenz seine technische Versiertheit.
Nicht die übliche „Toccata“, sondern den ersten Satz „Allegro vivace“ aus der Orgelsinfonie von Charles-Marie Widor hatte sich der Organist für sein Solo herausgesucht. Nach der Vorstellung des Themas mit Echowirkungen gab es bei den Variationen einen Rundgang durch die neuen Möglichkeiten: Volles Werk mit kräftigen Akkorden, unterschiedlichste Solowerke mit abgesetzter Begleitung, gedämpfte, gedeckte Werke oder starke Schweller bei dynamischen Steigerungen, die den ganzen Kirchraum füllten. Neu bei einem Orgelkonzert: Die Zuhörer konnten nun im Gesicht des Solisten die Freude bei den verspielten Passagen, die Konzentration bei schwierigen Skalen oder den Genuss eines satten Raumklangs ablesen.
Eine homogene, hoch motivierte Streichergruppe mit Solo-Bratsche und Solo-Cello, eine versierte Solo-Paukerin, ein mit allen Wassern gewaschener Organist mit Registrierspürsinn und ein Dirigent, der mit anscheinender Leichtigkeit alles zusammenfügt und zusammenhält, führten beim Orgelkonzert von Francis Poulenc zu einer beispielhaften Aufführung. Zarte, aber intensive Klangflächen folgten auf majestätische Orgelakkorde. Aus einem ergreifenden, hellen Dur-Thema führte Bender zu einem aufpeitschenden, dissonanten Ausbruch, der in einen Wettlauf von Sextolen quer über alle Manuale und Saiten mündete. Großes Kino mit klagenden Streichern und hellen Orgelklängen ging in eine humorvolle, an eine Drehorgel auf dem Jahrmarkt erinnernde Szene über. Im vollen Werk eine abrupte Rückbesinnung auf die Hauptaufgabe der Orgel: ein sonorer 3-stimmiger Choral. Nach zart schreitenden Vierteln ein finaler g-Moll Akkord im vierfachen Fortissimo der Orgel.