Inzwischen waren die Orgelbauer um Thomas Gaida dreimal in der Schlosskirche. Erfreulicherweise haben sich diese Male keine größeren Hindernisse aufgetan.
Gern berichte ich Ihnen im Folgenden über die im vorigen Beitrag zum Teil bereits angekündigte Arbeiten und deren Fortgang.
Eine der beiden weitreichendsten Aufgaben der letzten Wochen war neben den simultanen Arbeiten in der Schlosskirche die Gestaltung und Anordnung der zirka 500 (!) Taster am Spieltisch. Das spezielle System, das Thomas Gaida verwendet, bietet unglaublich viele neue und faszinierende Möglichkeiten. Ziel muss aber eine größtmögliche Übersichtlichkeit sein, die auch Gastorganisten einen schnellen Zugang bietet. Thomas Gaida sagt, dass er und ich bisher zirka 100 Stunden für diese „Mammut“-Aufgabe aufgewendet haben. Diese noch nicht beendete Arbeit ließ sich zum größeren Teil zeitgleich online und telefonisch durchführen.
Auch der Graveur, Rudi Schillo, konnte im Laufe jener Besprechungen mit einbezogen werden und hat die meisten der farblich an Elfenbein erinnernden Taster bereits fertiggestellt. Sie sind sehr ästhetisch anzuschauen und fühlen sich beim Tasten angenehm an. Zum Endergebnis liegen derzeit aber noch keine Fotos vor. Die hier weiter unten gezeigten Taster sind lediglich musterartige Vorstufen.
Verschieden farbige Aufschriften ermöglichen einen schnellen Überblick:
Register des gewohnten Typs bekommen kontrastreiche schwarze Schriftzüge. Die hierzu gehörigen Register haben normalerweise so viele Pfeifen wie sich Tasten auf dem Manual bzw. Pedal befinden.
Grünfarbig hingegen sind die Aufschriften der so genannten Auxiliar-Register. Diese können aufgrund der Bauweise ihrer Steuerung (Einzeltonsteuerung) allen Manualen oder dem Pedal flexibel und frei zugeordnet werden. Sie haben viel mehr Pfeifen als Tasten, womit die Option einhergeht, diese Auxiliar-Register in verschiedenen Oktavlagen spielen zu können: Aus der selben Pfeifenreihe kann z. B. ein hellklingendes 2-Fuß-Register gewählt werden. Da aber auch tiefere Pfeifen vorhanden sind, kann alternativ ein 4-Fuß-Register daraus gewählt werden oder ein 8-Fuß-Register, ein 16-Fuß-Register oder bei manchen sogar ein 32-Fuß-Register!
Die jeweils genannte Fuß-Angabe bezieht sich auf die tiefste Taste im Pedal bzw. auf den Manualen, die sich ganz links – beim so genannten großen C – befindet. Beim Anspiel jener Tasten erklingt die jeweils tiefste und längste Pfeife des Registers. Die beiden hier im Folgenden aufgeführten Register mit der Aufschrift 16‘ klingen also eine Oktave tiefer als in den Noten gedruckt.
Rote Schriftzüge erhalten Sonderfunktionen wie „Pizzicato“, „Sostenuto“, „Melodie“ oder „Divide“. Diese faszinierenden Möglichkeiten – und weitere – stelle ich Ihnen in einem späteren Patenbrief noch genauer vor.
In blauer Farbe sind die MIDI-Funktionen gehalten, über die später mit einer separaten Anlage auch elektronische Klänge spielbar werden.
Der zweite weitreichende Arbeitsbereich war – ausgehend von der Westempore – die Verlegung von je sechs Kabeln durch einen externen Elektriker.
Auf der Nord- und auf der Südseite wurden diese parallel in Richtung Altarraum – also Richtung Osten – geführt. Eine Abzweigung führt auf den Nordost-Emporenteil, wo später das Anglikanische Schwellwerk stehen wird.
Das ganze Vorhaben wird neben diversen Lichtschaltern ergänzt durch zwei im Chorraum bzw. ebenerdig gelegene Buchsen, an die später der neue Spieltisch angeschlossen werden kann.
Die Kabelkanäle enthalten zwei Stromkabel (220 Volt bzw. 380 Volt) sowie vier Datenkabel, mit denen die Steuerung durch die ganze Kirche sowohl vom Spieltisch auf der Westempore möglich wird als auch vom neuen Nussbaum-Spieltisch, der sich normalerweise auf der gleichen Ebene wie die Kirchenbesucher befinden wird.
Diese Arbeiten dürfen nur von einem Elektriker, also nicht vom Orgelbauer durchgeführt werden. Die für uns hohen Kosten dafür summieren sich vor allem durch die Stundenlöhne, denn in der barocken Schlosskirche gibt es „unzählige“ Vorsprünge und „Umwege“, die mit den Kabelkanälen fachgerecht und sicher „umfahren“ werden müssen.
Eine Erleichterung und Freude ist, dass schon eine ganze Reihe von Registern in das Schwellwerk, in das Hauptwerk sowie in das Pedal (alle drei sind Teilwerke der Hauptorgel) eingebaut werden konnten!
Vorausgegangen war – zumeist in der Werkstatt – die Reinigung der einzelnen Pfeifen, wenn nötig – ihre Begradigung, bauliche Veränderungen wie der Anbau von Rollbärten oder Gavioli-Bärten und vieles Andere mehr.
Die Intonation der Pfeifen – die Gestaltung der klanglichen Charakteristika – hatte ich schon einmal als die „Königsdisziplin“ im Orgelbau bezeichnet. Durch die Intonation „entlockt“ der Orgelbauer den Pfeifen so zusagen die „klangliche Seele“. Nicht alle Orgelbauer sind dazu im gleichen Maße in der Lage. Und tatsächlich konnte ich beim Spielen wahrnehmen, dass die Register, die durch Hände und Sinne von Thomas Gaida und seine Mitarbeiter Simon Heubach und Franz Schloder gegangen sind, mich klanglich berühren. Faszinierend, was aus der Arbeit mit Materie und dem Umgang mit Physik möglich wird!
Und das scheint mir das Höchste, was man im Orgelbau erreichen kann.
Herzlichen Dank sei wieder Herrn Dr. Eberhardt Rostan gesagt für die wertvolle Dokumentation mittels seiner Fotos.
Vielmals grüßt Sie
Ihr Sönke Wittnebel