Die sehr anspruchsvolle und lange Zeit der Orgelrenovierung ist vorüber, die im Vertrag vereinbarten Arbeiten sind durch die Firma Gaida weitestgehend abgeschlossen. Und so kann die Orgel nun eingeweiht werden.
Pfaffengitter
Mit dem Einbau der Pfaffengitter auf der Westempore im unteren Bereich der Hauptorgel ist wieder ein neuer Meilenstein erreicht und die dortigen Arbeiten gehen im Großen und Ganzen ihrer Fertigstellung entgegen. Die Holztüren umschließen – wie früher schon mitgeteilt – im südlichen Bereich den Raum der Tuba, im nördlichen Bereich den der Trompeta. Mit ihrem charakteristischen diagonal verlaufenden grünlich gefärbten Hölzern fügen sie sich organisch an das bestehende Gehäuse. Einerseits ermöglichen sie den Klängen, in den Kirchenraum zu strömen, und andererseits sollen sie Schutz bieten vor unerwünschtem Zugriff.
Für die Zuhörenden bewirken die Holztüren eine Milderung des Klangs der dahinter stehenden Zungenregister.
Für die Spielenden aber, wenn sie oben am Spieltisch direkt neben den Pfeifen sitzen, müsste noch ein akustischer Schutz installiert werden, denn man sitzt dort so nah wie an keinem der anderen Register und dominieren daher den Gesamtklang.
Auch eine Möglichkeit, die Pfaffengitter-Türen abzuschließen, müsste noch nachgerüstet werden. Dies zu tun ist sehr ratsam angesichts der Begehbarkeit der Westempore durch die Öffentlichkeit z. B. bei Konzerten, bei großen Gottesdiensten, anderen Veranstaltungen oder einfach, wenn die unteren Türen zu den Turmaufgängen – aus was für Gründen immer – offen gelassen werden.
Es ist sehr gut, dass auch der Anblick der Pfaffengitter von unten aus dem Kirchenschiff überzeugt. Die Kosten für diese waren allerdings erheblich, da an die Ausführung sehr hohe Anforderungen gestellt wurden, die in einem derartigen Umfang bei Baubeginn nicht absehbar waren.
Spieltische
Der alte Spieltisch, der jahrzehntelang seine Dienste oben auf der Westempore getan hatte, ist aus der Orgelbauwerkstatt zurückgekehrt und hat seinen traditionellen Platz wieder eingenommen.
Das Foto zeigt den überarbeiteten Spieltisch, der komplett entkernt wurde und dessen „Charme der 70-er Jahre“ nun einem modernen Bild gewichen ist. Fast nur noch die Wände sind erhalten. Durch die kleinräumige, dem neuesten Stand der Technik entsprechende Spiel- und Elektrotechnik konnte die Firma Gaida auf den unverändert großen zur Verfügung stehenden Flächen viel mehr Taster installieren, so dass man nun oben bereits erstaunlich viele der Möglichkeiten – verglichen mit dem neuen unteren Spieltisch – hat. Dass er nur drei Manuale hat, ist durch die baulichen Grenzen vorgegeben, denn der alte Spieltisch hatte auch nur drei.
Der langersehnte große neue Spieltisch ist da!
Sein Gehäuse ist aus Nussbaumholz und korrespondiert mit dem Chorgestühl, der Truhenorgel und z. B. auch dem Flügel, welche alle ebenfalls aus Nussbaumholz gefertigt worden sind.
Es fallen die vier Manuale auf, von denen das erste außergewöhnlicherweise gar 88 Tasten hat, so wie dies z. B. bei Flügeln der Fall ist. Der Spieltisch steht auf einem fahrbaren Untersatz. Diese Flexibilität gibt Möglichkeiten für die Ausführenden, sich untereinander und den Dirigenten besser zu sehen. Das gibt auch in den Gottesdiensten eine viel größere Nähe zwischen Organist und Gemeinde. Und auch bei Konzerten ist der Spielende für die Zuhörenden sichtbar!
Die Schlosskirche wurde im hohen Maße als Klangraum erschlossen
Da die meisten der Register im Osten der Kirche nun eingebaut sind, ergeben sich ganz neue faszinierende räumliche Klangerfahrungen!
Zunächst der Blickwinkel der Spielenden:
Die Herausforderung an die Organisten ist dabei, sich an die unterschiedlichen Laufzeiten des Schalles zu gewöhnen. Nachdem der Montage-Spieltisch seit vielen Monaten ja unten stand, hatte man sich an diese Art der Verzögerung mehr oder weniger gewöhnt.
Oben auf der Orgelempore aber ist man wieder ganz nah an die Pfeifen gerückt und hört sie zeitlich viel näher. Andererseits sind die Register an den zwei Orten im Osten der Kirche ziemlich weit entfernt. Der Schall braucht von dort auf die Westempore zu den Spielenden viel länger. Beim Spiel von gemäßigt schneller Musik ist das noch relativ einfach; bei schnellen Läufen und Tonbewegungen stellt es eine erhebliche Herausforderung dar, mit der die Spielenden vertraut werden müssen.
Nun der Blickwinkel der Zuhörenden:
Was aber sind das für Klangerfahrungen auch für die Zuhörer! Beim gleichzeitigen Spiel der im Kirchenraum entgegengesetzt aufgestellten Register werden durch die völlig neu ausgenutzte Raumtiefe wirklich auch ganz neue Klangerfahrung möglich. Wie erhofft, werden die Zuhörenden beim simultanen Spiel der Teilwerke im Westen und Osten einerseits nun tatsächlich von Klängen geradezu umwogt.
Andererseits werden beim abwechselnden Spiel Dialoge über die Distanz durch die gesamte Schlosskirche möglich! Indem die neue Orgel den gesamten Kirchenraum erfüllt, ist die Schlosskirche nunmehr als Klangraum in einem hohen Maße erschlossen. Das schließt die erhofften berührenden transzendentalen Erfahrungen ein!
Wo stehen aber auch schon zwei Spieltische für ein Instrument in einer Kirche!? Und in wie wenigen Kirchen sind so viele Orgelwerke im Kirchenraum wie „aus einem Guss“ verteilt! So wie die Barockmeister seinerzeit den Raum mit Licht geflutet haben, kann man dies nun auch mit Klang tun.
Stand
Nach einer anspruchsvollen und langen Zeit – und nachdem die Orgel in der Schlosskirche auch schon seit Monaten in verschiedenen Vorstadien zu erleben war – sind mittlerweile die im Vertrag vereinbarten Arbeiten der Leistungen des Orgelbauvertrages unter Einhaltung des Kostenrahmens mit der Firma Gaida weitestgehend abgeschlossen.
Der von der Württembergischen Landeskirche beauftragte Orgelbausachverständige Thomas Haller hat das Instrument zusammen mit einem Praktikanten „auf Herz und Nieren“ geprüft. Erfreulicherweise hat er empfohlen, die Abnahmen der Arbeiten gegenüber dem Orgelbauer auszusprechen.
Die vielen geplanten aber ausgefallenen Benefiz-Konzerte und viele weitere Aktivitäten, die während der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnten, bieten auch nicht den finanziellen Spielraum, um alle geplanten Arbeiten zu finanzieren. Dazu gehören dem Einbau einiger weiterer Register sowie auch das Gehäuse, welches das Schwellwerk Süd umfassen wird und durch das die so wichtige „Lautstärke-Dosierung“ (Schweller) besonders für die Chöre, Solosingende, Instrumentalisten und Orchester ermöglicht wird.
Derzeit noch nicht erreichbare neue Ziele sind der Einbau von MIDI-Möglichkeiten – die z. B. Hammond- Orgel-Sounds ermöglichen – und z. B. weitere elektronische Spielhilfen. Mit dem gewählten eher außergewöhnlichen Orgelbau-Ansatz stehen die Türen in die Zukunft offen für ganz neue Einsatzmöglichkeiten!
Die Schlosskirchengemeinde ist sehr dankbar, dass die Kosten für dieses Riesenprojekt durch z. B. Unterstützungen der Stadt Friedrichshafen – die Schlosskirche ist ja auch ein Wahrzeichen der Stadt -, des Vereines Freundeskreis für Kirchenmusik e. V., Spenden von Firmen, der katholischen Nachbargemeinde und Einzelpersonen, Pfeifen- oder Registerpatenschaften, Benefizkonzerte, Benefiz- Veranstaltungen, den Verkauf von Orgelköstlichkeiten und CDs, Gottesdienst-Kollekten sowie Spenden bei Orgelführungen oder angesichts von Trauungen, goldenen Hochzeiten, Trauerfeiern u. a. weitgehendst gedeckt werden können!
Allen Spenderinnen und Spendern sei ein ganz großes und herzliches Dankeschön und „Vergelt’s Gott!“ gesagt!
Feierliche Orgeleinweihung
Die Freude und Erleichterung über das bisher Erreichte ist groß, denn nun kann die Schlosskirchengemeinde anlässlich der Einweihung am 2. Oktober 2022 die Gemeinde und alle weiteren Interessierten zu einem Festgottesdienst um 15 Uhr einladen. Prälatin Gabriele Wulz wird über den 150. Psalm predigen und Sängerinnen und Sängern der Kantorei, des Gospelchores „Almost Heaven“ und des Jugendchores unter der Orgelbegleitung von Marlon Schätzle werden die Vertonung des Psalmes von Cesar Franck unter der Leitung von KMD Sönke Wittnebel singen. In der Übersetzung werden wir aufgefordert, Gott „mit Orgelklang“ zu loben!
Bereits um 17 Uhr schließt sich das Einweihungskonzert bei freiem Eintritt an. Dieses – wie auch der vorausgehende Festgottesdienst – spielt Professor Stefan Engels, der eigens aus Dallas (Texas) anreist.
Möge durch das Instrument segensreiches Wirken möglich werden!
Sönke Wittnebel, 24. September 2022
Seit Neuestem gibt es die Möglichkeit, auf unserer Homepage Pfeifenpatenschaften mit neuen Registern einzugehen. Eines trägt den klangvollen Namen Harmonia aetheria. Es ist ein Register mit mehreren Pfeifenreihen, den so genannten “Chören“. Diese hell und zart klingenden besonderen Pfeifen können sogar mit weich und sphärisch klingenden Streichregistern kombiniert werden und ergeben damit völlig neue Klangfarben in der Schlosskirche!